Aufgrund der massiv gestiegenen Baukosten werden die Arbeiten am neuen Firmensitz der Stadtwerke Radolfzell GmbH in der Herrenlandstraße bis zum Spätsommer gestoppt. „Wir haben uns mit der Entscheidung sehr schwer getan“, verdeutlichte Oberbürgermeister Simon Gröger im Rahmen eines Pressegesprächs. Ausschlaggebend sei letztendlich gewesen, dass die Kosten mittlerweile „deutlich über dem liegen, was ursprünglich prognostiziert wurde.“ Die nun vereinbarte Ruhezeit auf der Baustelle sei auch vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise eine notwendige und wichtige Maßnahme. „Wir hoffen, dass es bis zum Spätsommer zu einer Entspannung der Situation kommen wird“, fügte Gröger hinzu. „Die Kosten seien um den Faktor zwei gegenüber der ursprünglichen Berechnung gestiegen“, verdeutlichte Stadtwerke-Geschäftsführer Tobias Hagenmeyer. Hinzu komme, dass nur sehr wenige Angebote für die ausgeschriebenen Gewerke eingegangen seien. Der Baustopp werde sich jedoch nicht negativ auf die Bausubstanz auswirken. Bereits fertiggestellt ist die Sauberkeitsschicht über der Pfahlgründung (Gründungsplatte).
Vorausschauende Einkaufspolitik
Des Weiteren betonte Tobias Hagenmeyer, dass während der Ruhezeit der Bauarbeiten die Struktur des Gebäudes im Hinblick auf die gestiegenen Energiekosten überdacht werde. Darüber hinaus werde nach weiteren Einsparpotenzialen und Kostenoptimierungen gesucht. Absehbar sei jedoch, dass die Kosten nicht wieder auf das Niveau vor der Energiekrise sinken werden. Dennoch zeigte er sich zusammen mit dem Vertriebsleiter Joachim Kania und dem Kaufmännischen Leiter Udo Rothmund optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, dass wir alle miteinander eine gute Lösung erarbeiten“, unterstrich er. Die Preissteigerungen hätten die Kunden der Stadtwerke aufgrund der vorausschauenden und nachhaltigen Einkaufsstrategie des Unternehmens in den vergangenen Jahren bislang nur sehr moderat getroffen, erläuterte Joachim Kania. Bei der weiteren Entwicklung sei es wichtig, stets transparent zu kommunizieren und die Bürgerinnen und Bürger auf dem Laufenden zu halten.
Wertvolle Synergieeffekte im Neubau
Im neuen Firmensitz in der Herrenlandstraße werden die Verwaltung, die Technik und das Kundencenter der Stadtwerke an einem Standort zentralisiert, was wertvolle Synergieeffekte mit sich bringt und ein effektiveres Arbeiten möglich macht. Und auch die Stadt profitiert vom Standortwechsel: Denn dadurch werden in der Untertorstraße wertvolle Flächen für die Errichtung von neuem Wohnraum in der Innenstadt und die Entwicklung des Einzelhandels in der Innenstadt frei.
Bei der Errichtung des neuen Service- und Verwaltungszentrums wird großen Wert auf klimafreundliches Bauen gelegt: Die Dachflächen werden begrünt und mit einer Photovoltaikanlage versehen. Darüber hinaus werden im Haus ein Wärmepumpsystem mit Solarkollektor sowie ein Eisspeicher installiert, der im Sommer zur Kühlung und im Winter als Heizung herangezogen wird. Weitere nachhaltige Bausteine des als Niedrigenergiehaus geplanten Gebäudes sind die Nutzung der Abwärme aus dem Serverraum, eine LED-Beleuchtung sowie eine sehr gute Dämmung. Zudem wird im Außenbereich eine Stromladesäule für mindestens zwei öffentliche Ladestellplätze angebracht. Die Erreichbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger wird mit einer Bushaltestelle direkt am Neubau gewährleistet.
Finanziert wird das Projekt zum einen aus dem Verkauf der Liegenschaften am Untertorplatz, zum anderen über ein von der KfW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau) gefördertes Darlehen.
Nach rund vier Jahren Planungszeit wird im April 2022 mit dem Bau des neuen Stadtwerke-Firmensitzes begonnen. Wie das Gebäude dazu beiträgt, Radolfzell als einen modernen und nachhaltigen Wirtschaftsstandort zu präsentieren, erläutern die Prokuristen Joachim Kania und Udo Rothmund.
Kania: Wir sind in den letzten Jahren stark gewachsen und damit auch die Belegschaft. Damit kommen wir mit dem aktuellen Gebäude an die Grenzen, sowohl in Bezug auf die Büros als auch die Unterbringung von Arbeitsmitteln und Material. Ebenso kam im Rahmen der Stadtentwicklung auf, dass es Bedarf an Wohnraum nahe zur Altstadt gibt. Wir freuen uns, dass wir mit dem Umzug in die Herrenlandstraße dazu beitragen können, die Innenstadt und den Einzelhandel zu entwickeln bzw. zu beleben, vor allem aber auch um Wohnraum zu schaffen.
Rothmund: Aktuell haben die Stadtwerke Radolfzell zwei Standorte. Ein Lager in der Herrenlandstraße und unser aktuelles Gebäude in der Untertorstraße. Unser momentanes Gebäude besteht im Grunde genommen aus drei Gebäuden. Die Verwaltung, die Technik und das Kundencenter, alle drei stehen separat, zudem gibt es viele kleine Büros, die auf unterschiedlichen Niveaus ausgestattet sind, teilweise fehlen Räume für Besprechungen oder Teamarbeit. Wir wollen gerüstet sein für die Arbeitswelt von morgen, das ist mit der momentanen Fläche und Ausstattung nicht möglich.
Kania: Die Lebenswelten und vor allem die Ansprüche der Kunden haben sich gravierend geändert. Kunden fragen nach vielschichtigen Lösungen. Angefangen beim Wunsch nach einer autarken Stromversorgung – die energieeffiziente Versorgung, egal ob Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus. Aber auch Gewerbetreibende, die ihren Fuhrpark elektrifizieren und die passende Ladeinfrastruktur benötigen. Als Stadtwerke sehen wir uns als Knotenpunkt all dieser Energiethemen, wir liefern das Fachwissen und stehen bei der Umsetzung zur Seite. Unser Anspruch ist, die Energiewelt aus Sicht des Kunden zu sehen und dafür die bestmögliche Lösung anzubieten.
Die Stadtwerke der Zukunft setzen nicht nur die Energiewende vor Ort um, sie koordinieren auch die regionalen Projekte wie Solarparks, Windparks oder Wärmenetze. Dabei agieren wir als ein Rund-um-Sorglos-Anbieter, der moderne und nachhaltige Dienstleistungen anbietet.
Kania: Kunden können hier nachhaltige Lösungen und Produkte direkt vor Ort ausprobieren. So ist vieles anschaulicher und wird verständlicher. In dem aktiven Austausch mit den Kunden erhalten wir aber auch Rückmeldungen, durch die Erfahrungen unserer Kunden können wir unser Portfolio weiterentwickeln. Wir stellen beispielsweise Photovoltaik und Speichersysteme vor, alles rund um Elektromobilität inklusive einer intelligenten Ladeinfrastruktur. Aber auch dezentrale Wärmeerzeugung und hochmoderne Kommunikationstechnik darf nicht fehlen. Der Neubau wird somit ein moderner und vor allem offener Anschauungs- und Lernort für innovative Energiedienstleistungen, die man live erleben kann.
Wir entwickeln Produkte oder Projekte aus Kundensicht. Dies bedeutet aber auch, dass wir agil zusammenarbeiten müssen, um uns ständig hinterfragen zu können.
Rothmund: Die Stadtwerke sind im Neubau komplett anders gestaltet und aufgestellt. Es wird offene Arbeitsbereiche geben, Kreativinseln, Projekt- und Workshop-Räume, alles ist so gestaltet, dass es viel mehr zum Gespräch und zum Miteinander einlädt. Einzelbüros wird es nur noch in seltenen Fällen geben. Die Kommunikation unter den Mitarbeiter, aber auch zu unseren Kunden wird immer wichtiger.
Rothmund: Das Gebäude ist sehr flexibel, sodass wir Raumstrukturen haben, die zum gemeinsamen Arbeiten einladen, ebenso bietet der Neubau zahlreiche Räume, in die sich jeder zurückziehen kann, wenn er ein Gespräch unter vier Augen wünscht oder in Ruhe telefonieren möchte.
Kania: Genau das ist es. Wie man so schön sagt, birgt jede Veränderung ja auch Chancen. Die Energiewirtschaft befindet sich in einem rasanten Wandel. Wenn wir als Wettbewerber der Energieversorger langfristig erfolgreich sein wollen, brauchen wir dringend einen Umgestaltungsprozess. Auch als Arbeitgeber sind wir gehalten uns immer wieder zu hinterfragen, neu aufzustellen und attraktiver zu werden.
Kania: Immens wichtig, die Arbeitswelt entwickelt sich stetig, die oft zitierte „Work-Life-Balance“ hat gerade bei jungen Menschen im Job einen hohen Stellenwert. Nachwuchskräfte möchten aktiv mitgestalten, ebenso ist es selbstverständlich flexibel und mobil zu arbeiten. Wir leben schon seit Jahren eine Unternehmenskultur, die größere Spielräume für Selbstorganisation und Mitentscheidens beinhaltet. Das neue Gebäude wird diese Kultur des Miteinanders weiter beflügeln.
Rothmund: Finanziert wird das Projekt zum einem aus dem Verkauf der Liegenschaften am Untertorplatz, zum anderen über ein von der KfW gefördertes Darlehen, das wir aufgrund höchster Energieeffizienzstandards erhalten.
Der Unterhalt des Gebäudes ist signifikant geringer, aber auch die Energiekosten werden wesentlich geringer ausfallen. Neben einem Eisspeicher, der im Sommer zur Kühlung und im Winter als Heizung herangezogen wird, ist das Gebäude als Niedrigenergiehaus geplant. PV auf dem Dach, Nutzung der Abwärme aus dem Serverraum, LED-Beleuchtung und eine sehr gute Dämmung sind dabei wichtige Bausteine.
Die Erreichbarkeit mit dem Stadtbus wird mit einer Bushaltestelle direkt am Neubau gegeben sein. Ergänzend sorgen Parkplätze mit Ladeinfrastruktur sowie Fahrradabstellplätze für eine gute Erreichbarkeit.